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VokalJäger Enhanced Algorithmic Tool Pack VJ.EAT

Download the VJ.EAT core in version 0.15 as of 7/5/2021 - that is the R and PRAAT kernel code plus all configuration files - as ZIP file:

download VJ.EAT core.

You get a fully fledged phonetic workbench, which yields e.g. analytic plots:

Plots (here: original non-normalized)F1/F2 formant values in Bark and Hertz, including surrounding reference triangles.
Plots (here: normalized and backprojected) F1/F2 formant values in Bark and Hertz with distribution centroids.
Plots idealized single sample frequency response / vocal tract transfer function as implied by the F1-F3 formant values and B1-B3 bandwidths.
Analyzes which vowels are statistically different (or not) based on F1/F2 centroid statistics.
Analyzes F1 formant distribution statistics.
Analyzes F2 formant distribution statistics.

Documentation and Working Environment VJ.EAT

Download a sizable fully fledged working environment, i.e. a set of directories and files plus documentation. This includes sample input sound files, sample input PRAAT annotations resp. segmentations and all the outbound result files which the VokalJäger core would calculate. Use this to explore and start your own project.

Download working environment.

Download the full documentation in PDF.

Details und Ergebnisse

Diese Arbeit spannt den Bogen von algorithmischer Messphonetik über Klassikationsphonetik mittels Machine-Learning bis hin zur Dialektphonologie. Mit dem VokalJäger wurde ein leistungsfähiges, statistisches Werkzeug konzipiert und geschaffen, das zeigt, wie produktiv solch ein transdisziplinärer Ansatz sein kann.

Im Bereich der Messphonetik wurden für den VokalJäger Algorithmen entwickelt, die - im Augenblick noch mit Einschränkung hinsichtlich der Segmentierung - eine fast vollständig automatisierte Berechnung akustischer Größen aus Tonaufnahmen ermöglicht, ohne, dass dabei menschlich-subjektive Intervention nötig wäre. Dazu gehört insbesondere die Korpus-unabhängige Berechnung und Sprecher-Normalisierung von Formantbahnen, die robust gegenüber Messfehlern, Ausreißern und speziell Unterschieden in den Lauthäufigkeiten ist. Im Ergebnis lassen sich so z.B. im Kiel-Korpus Formanten messen, die den üblichen, erwarteten Werten und Mustern für das Hochdeutsche entsprechen (vgl. Teil I der Arbeit und vornehmlich Abbildung 56 auf S. 151).

Zur Identifikation und Messung von Lautunterschieden auf einer kontinuierlichen, gegen das Hochdeutsche geeichten Skala, wurde das Konzept des gleitenden phonetischen Merkmals eingeführt. Der daraus abgeleitete Merkmalswert ζ gleitet zwischen den klassisch-ordinalen Elementarausprägungen wie z.B. offen, halboffen, halbgeschlossen und geschlossen und kann dabei Zwischenwerte annehmen, die sonst üblicherweise mit Diakritika bezeichnet werden. Es kann nun getestet werden, ob sich die Merkmalswerte zwischen zwei Kontrastgruppen statistisch signifikant unterscheiden, wie etwa zwischen den kurzen A und den Dehnungs-A. Mit der so errechneten Merkmalsdifferenz ∆ζ kann z.B. bestimmt werden, ob bzw. wie stark in einem solchen Kontrastpaar ein Merger hinsichtlich des gleitenden Merkmals der Öffnungsstufe der Hinterzungenvokale vorliegt.

Mathematisch-technisch ist der beschriebene Ansatz im VokalJäger mittels Machine-Learning-Algorithmik implementiert. Dabei wird der VokalJäger auf die Merkmale des Hochdeutschen, repräsentiert durch zehntausend Vokalproben aus dem Kiel-Korpus, trainiert. Es zeigt sich, dass mit dem mathematischen Schätzermodell der Mixture-Discriminant-Analysis und den ersten drei Formanten als messphonetische Prädiktorvariablen gleitende Merkmalswerte errechnet werden können, die den erwarteten Mustern des Hochdeutschen entsprechen (vgl. Teil II der Arbeit und insbesondere Abbildung 85 auf S. 228).

Es ist ein besonderer Glücksfall, dass für den Frankfurter Stadtdialekt zwei unabhängige Bestandsaufnahmen existieren, die etwa siebzig Jahre auseinanderliegen. Da ist zum einen Joseph Oppel, der von 1839 bis 1894 handschriftlich Aufzeichnungen zur Mundart anfertigte, die vor allem hinsichtlich der Vokalqualität und -quantität explizit und hoch präzise sind (Oppel 1839-1894). Zum anderen ist da Ludwig Rauh, der 1921 mit seiner handschriftlichen Dissertation zum Frankfurterischen promovierte und bis zu seinem Tod 1945 die Grundlagen für das erst 1988 fertiggestellte Frankfurter Wörterbuch schuf (Rauh [1921a] und Rauh/Bodensohn [1939-1945]). Oppels und Rauhs Schriftbelege aus dem Frankfurter Institut für Stadtgeschichte, die so nicht im Frankfurter Wörterbuch veröffentlicht wurden, sind hier zum ersten Mal mit phonetisch-phonologischer Präzision kontrastiv gegenübergestellt und ausgewertet worden.

Durch die einzigartigen Belege Oppels und Rauhs lässt sich der Lautwandel des Frankfurterischen von etwa 1825 bis 1945 in Real-Time darstellen. Mit dem VokalJäger ist es darüber hinaus möglich, die Schriftbelege durch klassiffkationsphonetische Untersuchungen zu ergänzen, die ebenfalls Real-Time-Einblicke geben. Zum Frankfurterischen existiert mit dem Frankfurter Lautdenkmal von 1937 eine Tonaufnahme aus der Spätphase des Stadtdialekts - diese kann kontrastiv um weitere Tondokumente aus neuerer Zeit ergänzt werden, insbesondere aus dem Projekt Regionalsprache.de (REDE).

Es zeigt sich ein moderater Wandel des Frankfurterischen von etwa 1825 bis 1945 und dann eine rapide Wandlung bis heute. Definiert man Frankfurterisch als die rheinfränkische Mundart, die unterschiedlich zur Umgebung ist und nur in Frankfurt gesprochen wird, starb dieser Stadtdialekt als eine distinktive Einheit nach 1945 aus. Für das Frankfurterische wesentlich sind gerade Merger-Prozesse. So fielen etwa das altlange â und das Dehnungs-A in einem dunklen [O:]-ähnlichen Laut zusammen, der in dieser Arbeit als dunkles A, [A:], bezeichnet wird - anders als z.B. im Zentralhessischen der Vororte, wo â ein geschlossenes [o:] war. Dieses dunkle A, das Wahrzeichen des Stadtdialekts, das sowohl lang als auch kurz vorkam, verschwand im Lauf der Zeit. Mit dem VokalJäger kann man es im Frankfurter Lautdenkmal von 1937 noch sehr gut messen - im Neu-Frankfurterischen ist nur noch der Merger mit dem neutralen [a] festzustellen. Bei den Vorderzungenvokalen ist es umgekehrt. Hinsichtlich des gleitenden Merkmals der Rundung der Vorderzungenvokale zeichnete sich das Frankfurterische durch einen Zusammenfall (hochdeutsch) runder und ungerundeter Vokale in einem entrundeten Zustand aus. Diese Entrundung ist mit dem VokalJäger noch durchgehend im Frankfurter Lautdenkmal, aber auch im Neu-Frankfurterischen messbar - allerdings mit deutlich abnehmender Durchdringung: der Frankfurter Merger-Zustand bezüglich Rundung wird aufgelöst (vgl. Teil III und speziell die Abbildungen 116 auf S. 405 und 117 auf S. 407).

Abschließend lässt sich feststellen, dass mit dem VokalJäger ein neues Werkzeug in die historische Dialektphonologie eingebracht werden konnte. Der VokalJäger sowie die Schriftbelege Oppels und Rauhs ermöglichten zum ersten Mal, eine phonetisch-phonologische Lautwandeluntersuchung des Frankfurter Stadtdialekts durchzuführen - und zwar in Real-Time über fast zweihundert Jahre.

[Keil, 2017, Kapitel 10.1]